Als sich Anfang der 1990er Jahre der Staub des Mauerfalls allmählich legte und die tüchtig durcheinander geschüttelten gesellschaftlichen Kräfte neu formierten, sahen Mitglieder des Wiesbadener Lions-Club die Chance, auch in ihrer Partnerstadt Görlitz den Lions-Gedanken zu etablieren. So ganz genau lässt im Rückblick nicht mehr sagen, wer alles mit wem wann Verbindung aufgenommen hat und so schauten sich die späteren Gründer bei den ersten Zusammenkünften zunächst einmal neugierig an. Mehr als das Wissen um die weltweite Lions-Bewegung einte wohl alle der Wille, sich freundschaftlich zu verbinden und gemeinsam in Görlitz zu engagieren.
Die Wiesbadener Paten waren mit Geschick und Fingerspitzengefühl vorgegangen, so dass die Neulinge sich gut betreut aber nie bevormundet fühlten. Unter dem charismatischen Görlitzer Arzt Dr. Joachim Richter fand sich im März 1993 die endgültige „Startaufstellung“ des Lions-Club Görlitz ein. Nach Gründung am 22.03. 1993 und Charterung (das ist quasi die Anerkennung des Clubs durch Lions International) am 27.7.1993 galt es zunächst, sich kennen zu lernen und menschlich näher zu kommen, denn ohne freundschaftliche Verbindungen ist eine aktive Clubarbeit kaum möglich.
Der Blick auf andere Clubs half zwar, mögliche Ziele für eigene karitative Aktivitäten zu identifizieren, aber gleichzeitig hatte Görlitz als Grenzstadt mit abwandernder Bevölkerung, einem immensem Bestand an unsanierter historischer Bausubstanz und einer zu großen Teilen am Boden liegenden Wirtschaft ganz eigene Probleme. Über alle Jahre wurden lebhafte Diskussionen darüber geführt, wo der Club anpacken sollte, ohne dass es dadurch zu echten Zerwürfnissen kam. Natürlich blieben auch personelle Wechsel nicht aus. Berufliche Weggänge und selten auch inhaltliche Dissensen brachten Abgänge, doch die durchweg positive öffentliche Wahrnehmung sorgte auch stets für bereichernden Nachwuchs. Die in der Görlitzer Stadthalle mit großem Zuspruch durchgeführten Lions-Bälle hielten den Club im Gespräch (wenn sie auch wirtschaftlich häufig eine Zitterpartie waren), ebenso wie die Ausschank-Einsätze auf Weihnachtsmärkten, Stadtfesten und im Görlitzer Theater. Die Hilfeleistungen an vielen Stellen fanden zunehmend Anerkennung und die Bewerber wurden schließlich so zahlreich, dass die Gründung eines zweiten Clubs in den Stadtmauern möglich wurde.
Bis heute gilt für den Lions-Club Görlitz das Prinzip, dass der (jährlich wechselnde) Präsident seine Schwerpunkte setzen soll und bestimmt, worauf Aktivitäten gerichtet werden. Immer geht es nach dem Prinzip „Helfen, wo sonst keiner hilft“, wo also staatliche Zuwendungen nicht greifen, Menschen unverschuldet in Not geraten sind oder auch Dritte durch die Leistungen des Clubs zur Unterstützung animiert werden. Neben humanitärer Hilfe sind es vor allem grenzüberschreitende Projekte für junge Menschen, auf die der Görlitzer Club sein Augenmerk legt. Und nach wie vor ist die Freude am Miteinander und an der Hilfe für Dritte der größte Antrieb für ein aktives Clubleben.